Die CO2-neutrale Baustelle – Ein Beitrag zum Klimaschutz der österreichischen Bauwirtschaft

Logo-SdZ
Logo-FFG
Logo-BMK
CO2neuBAU_5-Schritte
Projekttitel: 
Die CO2-neutrale Baustelle – Ein Beitrag zum Klimaschutz der österreichischen Bauwirtschaft
Akronym: 
CO2-neuBAU
Zeitraum: 
2020 - 2021
Projektdurchführung: 
Ressourcen Management Agentur (RMA)
TU-Wien, Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Fachbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik
Auftraggeber: 
Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität Innovation und Technologie, abgewickelt von
Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft – FFG im Rahmen Stadt der Zukunft, 7. Ausschreibung

Identifikation aller auf Baustellen anfallenden direkten und indirekten CO2- bzw. THG-Emissionen. Analyse der Rahmenbedingungen und Technologien, um Möglichkeiten für deren Steuerung aufzuzeigen. Gleichzeitig wurden Mehrwerte wie beispielsweise Kosten- und Nutzen-Vorteile einer CO2-neutralen Baustelle aufgezeigt und quantifiziert.  

Motivation und Forschungsfrage

Das im Rahmen des Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft" in der 7. Ausschreibung des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) durch die FFG geförderte F&E-Projekt „CO2-neutrale Baustelle" des Forschungsbereichs Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik an der TU Wien und der Ressourcen Management Agentur (RMA) identifizierte die Chancen und Hemmnisse einer klimaneutralen Baustellenführung.

Ausgangssituation / Status Quo

Die Reduktion der Treibhausgase ist heute ein gemeinsames globales Ziel. Sowohl die EU als auch Österreich haben diesbezüglich ehrgeizige Ziele: die Erreichung der kompletten Klimaneutralität bis 2050 (EU) bzw. 2040 (Österreich). Der Gebäudesektor konnte in den vergangenen Jahren starke Reduktionen bei den Treibhausgasemissionen erzielen. Trotzdem bestehen nach wie vor der Bedarf und das Potential für weitere Einsparungen. Die CO2-neutrale Baustelle stellt hier einen wichtigen Baustein im Lebenszyklus eines Bauwerks dar, der in der Vergangenheit noch nicht umfassend betrachtet wurde.

Projekt-Inhalte und Zielsetzungen

Ziel dieses Projektes war es, eine Methodik zur Identifikation der anfallenden Treibhausgas-Emissionen auf Baustellen in Anlehnung an bestehende Normen zu entwickeln. In einem weiteren Schritt sollten Möglichkeiten zur Einsparung dieser Emissionen aufgezeigt und deren Potentiale qualitativ und – wo möglich – quantitativ bewertet werden. In dieser Forschungsdienstleistung wurde der Fokus auf die Reduktion von Treibhausgasen gelegt. Andere Umwelt- und Gesundheitsaspekte oder Reboundeffekte sind außerhalb des Forschungsumfangs der gegenständlichen Studie.

Methodische Vorgehensweise

Die gestellten Forschungsfragen wurden mittels einer nationalen und internationalen Literaturanalyse, Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Baubranche, einer breit angelegten Online-Befragung, sowie einem Workshop in der Arbeit beantwortet. Dadurch konnte die die F&E-Qualität und eine Einbettung in die österreichische Bauwirtschaft sichergestellt werden.
Zurzeit existieren noch keine standardisierten Regelwerke, um alle direkten & indirekten CO2-Emissionen auf einer Baustelle zu identifizieren und notwendige Rahmenbedingungen sowie Technologien für deren Substituierung, Kompensation oder Adaption aufzuzeigen. Daher wurde zu Beginn für vier fiktive urbane Baustellen der jeweilige IST-Zustand der THG-Emissionen auf Basis festgelegter Systemgrenzen ermittelt. Die definierten Systeme für Neubau, Sanierung und Rückbau beinhalten sowohl Prozesse auf der Baustelle als auch Transportprozesse von und zur Baustelle. Bei den Baustellen handelt es sich um einen neuen Hochbau, eine thermische Sanierung eines Wohngebäudes, urbane Asphaltierungsarbeiten und einen Abriss eines Bürogebäudes. Für die vier Baustellen wurden Daten von realen, bereits fertiggestellten Baustellen herangezogen und durch Daten aus der Literatur bzw. Einschätzungen von Expert:innen vervollständigt. Aufbauend auf dem IST-Zustand erstellten die Autor:innen Szenarien für die Verringerung der THG-Emissionen bis zur „CO2-neutralen Baustelle". Die Szenarien zeigen mögliche kurzfristige Reduzierungen bis 2023 und langfristige Reduzierungen bis 2050 auf.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Erreichung einer CO2-neutralen Baustelle gliedert sich in fünf Schritte, wobei vier Schritte zur Verringerung der THG-Emissionen beitragen. Die Schritte zur Reduktion der CO2-Emissionen sind organisatorische Maßnahmen, technologische Entwicklungen, Erzeugung von erneuerbarer Energie auf der Baustelle und der Zukauf von erneuerbarer Energie. Als fünfter Schritt müssen verbleibende CO2-Emissionen finanziell kompensiert werden.

Die Ergebnisse der THG-Emissionen der vier fiktiven Baustellen zeigen, dass die wesentlichen Energieträger für die Baustellenaktivitäten Diesel und Strom sind. Einen großen Anteil an den Treibhausgas-Emissionen bei der Bautätigkeit bildet der An- und Abtransport von Materialien per LKW. Die Anteile variieren nach Baustellentyp.

Die gerechneten Szenarien für 2023 zeigen, dass bereits Maßnahmen zur Verfügung stehen, um kurzfristig CO2-Einsparungen umzusetzen. Die Verringerungspotentiale für Treibhausgas-Emissionen auf Baustellen für 2023 reichen je nach Baustellentyp und Rahmenbedingungen von 21 % bis 52 %. Die größten Einsparpotentiale liegen bei der Reduktion von Transportdistanzen, alternativen Treibstoffen/Antriebsformen und dem Zukauf von Strom aus erneuerbaren Quellen. Spezifische Maßnahmen können aufgrund der individuellen Baustelle nicht pauschal vorgegeben werden, sondern müssen immer auf jede einzelne Baustelle abgestimmt werden.

Parallel dazu wurden Kosten/Nutzen-Vorteile einer CO2-neutralen Baustellen anhand einer Investitionskostenabschätzung aufgezeigt und quantifiziert. Je nach Vorhaltezeiten sind gegenwärtig einige elektrisch betriebene Kleinbagger günstiger als dieselbetriebene Geräte. In Zukunft könnte sich ein wirtschaftlicher Nutzen über den Lebenszyklus großer Elektrobaugeräte ergeben.

Die wesentlichen Hemmnisse zur Erreichung einer CO2-neutralen Baustelle sind die entstehenden Kosten und ein Mangel an erfolgreich durchgeführten Pilotprojekten mit praxistauglichen Alternativen. Die Baubranche sieht Fördermaßnahmen, Bewusstseinsbildung und Änderungen bei Gesetzen und Vorschriften als Chance für die erfolgreiche Umsetzung von CO2-neutralen Baustellen. Die breite Kenntnis digitaler Technologien zur Optimierung von Bauprojekten in Planungs- und Bauunternehmen muss weiter vorangetrieben werden, damit BIM, Taktplanung und LEAN Management-Methoden in der Praxis zu Einsparung von CO2-Emissionen führen.

Ausblick

Für die Zukunft empfehlen die Autor:innen die Entwicklung einer standardisierten Datenerfassung zur vereinfachten Berechnung der THG-Emissionen, die es den Baubeteiligten erleichtert, THG-Emissionen effizient zu erfassen und Maßnahmen zu deren Reduktion oder Verlagerung zu planen und umzusetzen. Die fiktiven Baustellen müssen im Zuge von Demonstrationsprojekten zu realen CO2-neutralen Baustellen übergeführt werden. Dabei sollten in Feldforschungen möglichst viele organisatorische und technische Maßnahmen getestet werden. Es wird empfohlen, in der Umsetzung einer CO2-neutralen Baustelle verpflichtende Verringerungsmaßnahmen, weitere Ökoindikatoren sowie Aspekte der Ökologie, wie Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft einzubeziehen.

 

„Stadt der Zukunft" ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS) und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt.

Weitere Informationen zur Programmlinie „Stadt der Zukunft“ finden Sie auf https://www.nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/;

Weitere Informationen zum Projekt und den Ergebnisbericht finden Sie auf https://nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/co2-neubau.php